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Sehr geehrte Frau Bettel,

danke für Ihre ausführliche Rückmeldung. Ich möchte auf einige Punkte eingehen, weil es uns nicht um persönliche Polemik geht, sondern um die Wahrnehmung der Realität im Alpenraum.

Zunächst zur Aussage, Schafe seien „oft alleine auf der Almweide und man schaut nur ab und zu nach ihnen“. Sie schildern hier persönliche Eindrücke, die ich Ihnen nicht absprechen will. Allerdings sind solche Einzelbeobachtungen nicht repräsentativ für die bäuerliche Praxis. Sie werden ja wohl nicht die Daten des Grünen Berichts des BMLFUW anzweifeln? Laut Grünem Bericht 2024 waren im vergangenen Almsommer rund 7.400 Hirten in Österreich beschäftigt – Menschen, die täglich beim Vieh sind, einzäunen, nachschauen, melken, käsen und damit wesentlich mehr tun, als „ab und zu vorbeischauen“. Ihre Darstellung entwertet diese Arbeit und vermittelt den Eindruck einer Verwahrlosung, die schlicht nicht der Realität entspricht.

Auch bei den von Ihnen zitierten Beispielen aus Niedersachsen oder den Abruzzen muss betont werden: Die topografischen, ökonomischen und kulturellen Unterschiede zu den Alpen sind gravierend. Was am Deich möglich ist, scheitert am Steilhang. Herdenschutzmaßnahmen in alpinen Regionen sind nicht „schwieriger“, sondern vielfach unmöglich – zeitlich, finanziell und organisatorisch. Dass Frankreich und die Schweiz trotz hoher Investitionen auf Abschüsse setzen mussten, zeigt, dass die oft zitierte „Koexistenz“ nicht funktioniert.

Ein weiterer Punkt, bei dem ich Ihrer Argumentation entschieden widersprechen muss, betrifft Ihre Aussage, es fände durch die Sendung keine Manipulation statt. Schon ein Blick in die Zieldefinition des von Ihnen vorgestellten Projektes LIFEstockProtect (LIFE19 NAT_AT_000889) zeigt, dass es genau darum geht:

„Die soziale Akzeptanz ist jedoch gering und es mangelt an Toleranz für die Rückkehr von Wölfen, was eine Bedrohung für den Wolfschutz darstellt. (…) Das ultimative Ziel von LIFEstockProtect ist es, durch eine Verbesserung des Zusammenlebens von Menschen und Wölfen so zur langfristigen Erhaltung der Wolfspopulation in den Alpen beizutragen.“ 

Damit ist völlig eindeutig, dass es hier in erster Linie nicht um die Bauern, ihre Arbeit oder ihre Lebensrealitäten geht, sondern um die Förderung und Sicherung der Wolfspopulation – und damit um die Erzeugung von Akzeptanz in der Bevölkerung. Wenn Sie ein Projekt mit dieser erklärten Zielsetzung in Ihrer Sendung prominent darstellen, können Sie nicht gleichzeitig für sich in Anspruch nehmen, „sachlich“ und neutral zu berichten. Allein die Auswahl dieses Projektes bedeutet bereits, dass Sie dessen Zielsetzungen transportieren – und damit unausweichlich auch Akzeptanzbeförderung für den Wolf.

Des Weiteren schreiben Sie, Sie hätten nie gehört, dass jemand „artenreiche Kulturlandschaft in artenarme Wildnis verwandeln möchte“. Genau das aber ist die logische Konsequenz, wenn Weidewirtschaft durch Wolfsdruck aufgegeben werden muss: Almflächen verbuschen, Wiesen veröden, artenreiche Offenlandschaften verschwinden. Das ist keine polemische Drohung, sondern eine ökologisch belegte Entwicklung.

Ihr Hinweis auf „Fundamentalismus auf beiden Seiten“ greift zu kurz. Bäuerliche Forderungen nach Regulierung oder wolfsfreien Zonen sind nicht Ausdruck von Ideologie, sondern von Existenznotwendigkeit. Im Gegensatz dazu arbeiten NGOs mit millionenschweren EU-Förderungen gezielt daran, den Wolf großflächig zu etablieren. Hier besteht ein Macht- und Ressourcenungleichgewicht, das man nicht einfach gleichsetzen kann.

Abschließend: Wenn Sie wirklich ein umfassendes Bild vermitteln möchten, lade ich Sie herzlich ein, im kommenden Almsommer selbst mit uns auf einer Alm mit Hand anzulegen. Dort können Sie persönlich erleben, wie viel Einsatz, Verantwortung und Belastung in der täglichen Arbeit steckt – und wie weit die Vorstellung einer „einfachen Lösung durch Herdenschutz“ von der Wirklichkeit entfernt ist.

Unsere Bauernfamilien pflegen und erhalten diese Landschaft Tag für Tag – nicht für sich selbst, sondern damit auch die Gesellschaft sie genießen kann. Viele, die diese Kulturlandschaft besuchen, wandern oder urlauben dort, profitieren von der Arbeit der Bauern.

Wenn man diese Lebenswelt, so wie Sie, aber kommentiert und teils einseitig bewertet, dann wäre es nur konsequent, auch einmal selbst mit anzupacken – und nicht bloß aus der Perspektive der Nutznießerin zu argumentieren.

Fazit: „Wer unsere Kulturlandschaft täglich beansprucht, sollte auch die Menschen respektieren, die sie unter schwerster Arbeit erhalten.“

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ALM WEIDE SCHUTZ.AT
Verein zum Erhalt der Kulturlandschaft und gegen die Großraubtierverbreitung

 IBAN: AT31 3956 1000 0022 2844

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