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Offene Stellungnahme von Almweideschutz.at & Weidezone Tirol zum Endbericht „LeKoWolf“ – Fehlende wissenschaftliche Fundierung und politische Risiken

Aktualisiert: 15. Okt.


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Sehr geehrter Herr Minister Totschnig

Der Endbericht „LeKoWolf – Lebensraum- und Konfliktpotenzialmodell Wolf in Österreich“ soll möglicherweise als Grundlage für Managementpläne, Förderpolitiken und behördliche Entscheidungen herangezogen werden. Aus fachlicher Sicht bestehen jedoch schwerwiegende inhaltliche, methodische und wissenschaftliche Mängel, die eine politische Weiterverwendung des Berichts in seiner jetzigen Form ausschließen müssen.

1. Widersprüchliche Aussagen zu Herdenschutzmaßnahmen

Die Studie erklärt auf Seite 7/8 ausdrücklich, dass weder Wirksamkeit noch Umsetzung von Herdenschutz empirisch erhoben oder modelliert wurden. Dennoch wird auf den Seiten 105–107 eine Wirkung des Herdenschutzes behauptet, ohne Beleg aus realen Daten. Auf Seite 84 wird zudem eingeräumt, dass gerade in Almregionen grundlegender Forschungsbedarf besteht, um Zusammenhänge zwischen Herdenschutz, Weidewirtschaft und Biodiversität überhaupt zu verstehen. Diese Widersprüche machen klar: Aussagen zur Wirksamkeit von Herdenschutz in alpinen Regionen entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage.

2. Fehlinterpretation ökologischer Rollen

Die oft zitierte Behauptung, der Wolf sei eine „Schlüsselart“ (Seite 17), ignoriert die Realität der österreichischen Kulturlandschaften. Diese sind keine Wildnisökosysteme, sondern jahrhundertealte, durch Beweidung und Jagd geprägte Räume. Eine Übertragung nordamerikanischer Konzepte auf die Alm- und Weidewirtschaft entbehrt jeder empirischen Basis.

3. Keine Einbindung der Betroffenen – strukturelle Einseitigkeit

Die projektbegleitende Arbeitsgruppe bestand ausschließlich aus Behördenvertretern, überwiegend aus forst-, rechts- oder agrarumweltbezogenen Abteilungen (Seite 2). Vertreter der Alm- und Weidewirtschaft, Gemeinden oder bäuerlichen Praxis wurden nicht einbezogen. Gleichzeitig beruht das Konfliktmodell auf Einschätzungen dieser Behörden. Das führt zu einem politisch-administrativen Zerrbild, nicht zu einem empirisch fundierten Konfliktbild. Mehrfache Anfragen um Beteiligung am Projekt seitens Vereine wie Almweideschutz.at und Weidezone Tirol wurden ablehnend behandelt. Hier wird der Verpflichtung gemäß Alpenschutzkonvention Berglandwirtschaftsprotokoll Artikel 4 nicht nachgekommen. Artikel 4 besagt, dass die Landwirte aufgrund ihrer multifunktionalen Aufgaben als wesentliche Träger der Erhaltung der Natur- und Kulturlandschaft anzuerkennen und in die Entscheidungen und Maßnahmen für die Berggebiete einzubeziehen sind.

4. Reduktion der Landwirtschaft im Konfliktmodell (Kapitel 2.6.2)

Das Modell blendet zentrale Realitäten der Alm- und Weidewirtschaft vollständig aus: Arbeitsaufwand, Bewirtschaftungsfähigkeit, Infrastruktur, psychische Belastungen, Existenzsicherung, Tierwohl, Biodiversität, Rechtslage, Tourismus und Eigentumsrechte werden nicht berücksichtigt. Damit wird Landwirtschaft als abstrakte Fläche behandelt, nicht als sozial, wirtschaftlich und kulturell verankerter Rechts- und Lebensraum.

5. Missverhältnis zwischen öffentlicher Finanzierung und fehlendem praktischem Nutzen

Die Studie wurde mit öffentlichen Geldern beauftragt und finanziert, obwohl es bereits frühere Lebensraumanalysen gab (z. B. Gutachterliche Stellungnahme, BOKU 2019; Erarbeitung eines Handlungsvorschlages für ein praxisorientiertes Wolfsmanagement in der Schweiz, BOKU 2022). Ein konkreter zusätzlicher Wissensgewinn ist nicht erkennbar, zentrale Erkenntnisse fehlen, und zentrale Fragen bleiben offen (Herdenschutz, Biodiversität, Bewirtschaftungsfolgen). Gleichzeitig wurden Betroffene nicht einbezogen und Forschungslücken offen benannt. Damit entsteht der Eindruck, dass öffentliche Mittel eingesetzt wurden, ohne dass belastbare Entscheidungsgrundlagen für Verwaltung, Landwirtschaft oder Tierschutz geschaffen wurden. Angesichts der angespannten budgetären Lage im ländlichen Raum und den realen finanziellen Belastungen für Betriebe muss geprüft werden, ob hier eine Zweckverfehlung oder ein unverhältnismäßiger Mitteleinsatz vorliegt.

Politische Schlussfolgerung

Solange zentrale Daten fehlen, Betroffene ausgeschlossen wurden und methodische Verzerrungen bestehen, darf „LeKoWolf“ weder als Entscheidungsgrundlage für Förderpolitik noch für Wolfsmanagement oder Gesetzesvollzug verwendet werden. Eine Studie, die Konflikte modellhaft konstruiert, Wirkungen unterstellt und öffentliche Mittel ohne klaren Nutzen bindet, kann keine Basis für politische Entscheidungen sein. Gerne hätten wir dies mit Ihnen persönlich besprochen bzw. ob bewusst ist, was in den einzelnen Unterabteilungen des Ministeriums zu verantworten ist.

Wir fordern daher von Ihnen Herr Bundesminister Norbert Totschnig:

  1. keine politische oder rechtliche Ableitung aus der Studie, solange diese Mängel nicht geklärt sind,

  2. eine unabhängige Überprüfung der Studienergebnisse und Datengrundlagen,

  3. die verpflichtende interdisziplinäre Einbindung der Weide- und Almwirtschaft in alle zukünftigen Management- und Forschungsprozesse,

  4. Transparenz über Finanzierung, Zielsetzung und Beauftragung der Studie,

  5. eine Folgenabschätzung, ob Steuergeld ohne praktischen Nutzen eingesetzt wurde inklusive Klärung von Haftungsfragen für eine derart mangelhafte Studie

Die Zukunft der Weidetierhaltung und die Bewahrung unserer alpinen Kulturlandschaft dürfen nicht auf Basis unvollständiger, tendenziöser oder politisch anschlussfähiger Modelle riskiert werden. Wir erwarten eine klare Positionierung des Landwirtschaftsministeriums zu diesen offenen Fragen.

Wir sehen hier Schweden als ein klares Vorbild, welches bereits vor Jahren die immense Bedeutung ihrer Kultur u.a. ihrer Renntierzucht als unantastbar und somit schützenswert festlegte und die Großraubtierpolitik entsprechend dieses Prinzips und entsprechend der Möglichkeiten der FFH-RL angepasst wird.

Dieses Vorgehen erwarten wir uns auch von den politisch Verantwortlichen in Österreich!

 

Almweideschutz.at & Weidezone Tirol Für den Schutz von Weidetieren, Kulturlandschaft und alpiner Lebensrealität.

 

Herbert Lackner                                                              Stefan Brugger

Obmann ALMWEIDESCHUTZ.AT                            Obmann Weidezone Tirol

 


 
 

ALM WEIDE SCHUTZ.AT
Verein zum Erhalt der Kulturlandschaft und gegen die Großraubtierverbreitung

 IBAN: AT31 3956 1000 0022 2844

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